1800 Kilometer durch den wilden Kaukasus

Soviel Kilometer und soviel Zeit haben wir bisher in keinem Gebirge Europas mit unseren Reiserädern verbracht. Dieses Abenteuer geht jetzt zu Ende. In vollen Zügen haben wir es genossen und soviel dabei erlebt.

Die Vielfältigkeit hier zwischen Europa und Asien, rauhe Berge, grüne Schluchten, Weingebiete, Subtropen auf so kleiner Fläche sind überwältigend. Die schneebedeckten Berge haben uns bis auf zwei Tage begleitet. Wir sind drei Tage hintereinander nur durch tolle Schluchten gefahren.

Unsere aktuelle Route findet Ihr hier: https://rapl-kiste.de/wp/maps/ . Mit einem Klick könnt Ihr in alle Details reinzoomen.

Wenn man die Anstiege und Abfahrten nicht scheut, kann man den Kaukasus per Rad sehr gut erkunden. Unsere robusten Reiseräder mit MTB Rahmen und Übersetzung sind ideal dafür, haben wir doch bei früheren Reisen manchmal gedacht, ein Randonneur wäre auch toll. Je besser die Strasse, desto schneller die Autos. An die Fahrweise muss man sich ein bisschen gewöhnen. Dann ist es nicht gefährlicher als bei uns. Ist die Strasse kleiner, ist weniger Verkehr. Ist sie nicht alphaltiert, geht es meist von einem Schlagloch ins andere. Damit widersprechen wir den beiden Reiseführern Loose und DuMont, dass Georgien und Armenien nicht für Fahrradfahrer geeignet oder sogar gefährlich ist.

Dennoch haben wir nach vier Wochen, 1800 Kilometern und 18400 Höhenmetern eine durchschnittliche Geschwindigkeit von gut 17km/h. Bergab geht es schon mal schnell über 60 km/h, Spitze 69.3 km/h. Speziell wegen dem Vorderradgepäck haben die Räder eine sehr gute Strassenlage. Platten haben wir noch keinen.

Im Kaukasus gibt es keine Radfahrer. Lediglich auf der Transitstrecke Armenien-Georgien haben wir sechs Reiseradler gezählt. (Batumi zählen wir nicht zum Kaukasus: Hier wird wie in jedem grossen Badeort an der Strandpromenade geradelt und gesportelt.)

In den vier Wochen haben wir acht Übernachtungen in unserem Zelt. Das ist schön. Hatten wir doch befürchtet, das Zelt und Zubehör gar nicht zu verwenden, da es hier keine bis kaum Campingplätze gibt.

Es gibt freilaufende Hunde, Hütehunde, Wachhunde, streunende Hunde, angeleinte Hunde, bellende Hunde, kläffende Hunde, freundliche Hunde, aggressive Hunde. Die Panikattacken, wenn uns Hunde angriffslustig jagen, sind im Laufe der Zeit zurückgegangen und wir sind entspannter geworden. Ein einziger Hund hat sich ins hintere Schutzblech verbissen und das Fahrrad samt Fahrerin zum Stehen gebracht. Vielleicht hat er sich die Schnauze dabei poliert, aber irgendwie hat er dann abgelassen.

Bären haben wir immer noch nicht gesehen. Dafür kommt der Vogelfreund voll auf seine Kosten. Pirole, Bienenfresser und jede Menge Wiedehöpfe begleiten unsere Reis’. Wie oft haben wir beim heimischen Brettspiel ‘Flügelschlag’ (tolles Spiel übrigens) davon geträumt, diese Vögel zu sehen.

Unsere kaukasischen Gastgeber empfangen uns mit offenem Herzen, freuen sich so sehr, so herzlich, dass wir manchmal gar nicht damit umgehen können. ‘Aus Deutschland kommt ihr? Mit dem Fahrrad? Wie findet ihr Georgien? Schön, dass euch Armenien gefällt. Das Wasser für die Dusche ist bereits heiss. Wollt ihr noch einen Kaffee? Gefällt Euch das Zimmer? Ich zeige euch das ganze Haus. Es ist Tradition, dass es Freitag Schaschlik bei uns gibt. Bitte sehr! Ihr seid liebe Gäste, unsere Freunde, meine Schwester.’ Wenn es die gemeinsamen Sprachkenntnisse zulassen, erfährt man auch alles über die Gastgeber, die Familie, das Land, die Kultur und die Familie. Ein Hoch auf die Mayas in Sighnagi, in Atskuri und in Batumi, Susann, Marita, Anna, Varujhen, Boris, Manana und Georgi, Lascha …

Susann schaut so, weil sie traurig ist, das wir jetzt abfahren

Kaukasen sind die ehrlichsten und vertrauensvollsten Menschen. Sie schliessen das Haus nicht ab. Wir brauchen unsere Räder auch nicht abschließen. Georgien und Armenien sind sichere Reiseländer. Das gefährlichste sind Unwetter, vor allem beim Zelten. Das zweitgefährlichste ist die Erdbebengefahr. Aber dein Hab und Gut braucht keiner und will keiner. Das Passwort ihrer Kreditkarte verraten sie dir in der Hoffnung, dass du ihnen am Bankautomaten behilflich bist, obwohl du ihre Sprache nicht kennst. Die Polizei oder Militär ist uns zu jederzeit freundlich begegnet. In Yerevan wurde Rolf gebeten ein Foto von fünfen auf der Parkbank zu machen.

Neben den Einheimischen haben wir auch viele Reisende getroffen mit denen wir nette Gespräche und guten Austausch hatten. Viele kamen aus Moskau oder Sankt Petersburg, Mario aus Leipzig, Ilias aus Algerien und ein Wandererpaar aus Italien, der nette Mann, der nach 18 Jahren Paris nach Georgien gegangen ist und das Haus seines Vaters renoviert, Reisende aus Japan und Korea. Alles sehr lässig.

Fertiggerichte gehören in die erste Welt. Wir sind hier in der (ehemals) zweiten Welt. Hier werden noch die Grundnahrungsmittel verarbeitet. Mehl macht man zu Brot oder Khinkali (Nudeln, Maultaschen), Früchte und Gemüse kauft man nicht im Laden, sondern hat es selbst, kauft es an der Strasse oder auf dem Markt. Hühner gerupft sind quasi schon das Fertiggericht. Oft genug gibt es das Huhn auch einzeln, ungerupft oder gar lebend. Eis gehört übrigens auch zu den Grundnahrungsmitteln, die man sich täglich leisten kann. Wenn man im Gasthaus wohnt, wird oft ganz kurzfristig gekocht. Wir haben uns meist überraschen lassen und es war immer lecker. Aber Achtung! Wer keinen Koriander mag, ist hier falsch. Die müssen hier riesige Korianderplantagen. Jedenfalls gibt es zu fast allen Gerichten Koriander satt.

Krank werden ist in beiden Ländern keine gute Idee. Es macht den Eindruck, als sei die von uns abgeschlossene Auslandskrankenversicherung vor allem dazu da, uns nach Hause zu fliegen, wenn wir medizinische Hilfe brauchen. Zum Glück sind wir fit wie Turnschuhe und haben noch nicht eine Ibu aus unserer Reiseapotheke benötigt.

Eine Fahrt durch den Kaukasus lässt uns reflektieren. Nicht alles war früher besser, aber manches, und einiges kommt vielleicht auch wieder.

4 Kommentare

  1. Guten Abend ihr zwei Radfahrenden,

    Das ist ein sehr schönes Resümee, das ihr über die beiden Länder ziehen könnt.
    Toll. Das ist ja vorher nicht so klar.

    Ich sitze gerade auf dem Balkon und höre und sehe den Mauerseglern zu; das ist auch wirklich fein.

    Allerdings das Unerwartete, die spontanen Entscheidungen, die unbekannten Gegenden und zufälligen Begegnungen und Herausforderungen sind wirklich etwas Besonderes.

    Ich freue mich auf die weitere Reise.

    Liebe Grüße von Petra

  2. Hallo, ihr Lieben,
    habe gerade sehr bewegt gelesen, mit welcher Zuneigung und Begeisterung ihr über eure Begegnungen mit den Menschen im Kaukasus erzählt.
    Eure Überzeugung, dass dies – allen Unkenrufen zum Trotz – sichere Reiseländer sind (abgesehen bei medizinischen Problemen) lässt mich darauf hoffen, vielleicht dann doch mal dorthin zu kommen.
    Viel Freude weiterhin mit freundlichen Menschen und Tieren auf eurer Weiterfahrt.
    Fette Umarmung
    Eure Buddy

  3. Liebe Astrid und Rolf, so schöne Bilder und v.a. tolle Beschreibungen eurer Erlebnisse bisher! Ein Abenteuer das für immer in Erinnerung bleiben wird. Hut ab für das was ihr die letzten Wochen geleistet habt! Wir wünschen euch eine gute Weiterreise. (Wo geht es denn noch hin?) Liebe Grüße Lisa und Peter
    P.S.: Flügelschlag spielen wir (v.a. Peter) auch sehr gerne. ????

  4. Hallo ihr Zwei,
    Georgien und Armenien ist wirklich sehenswert, wenn man eure Berichte liest, aber nur, wenn man die Länder bereist wie ihr mit dem Rad. Man sieht was vom Land und lernt die Bewohnern kennen, besonders außerhalb von großen Städten. Bei einer organisierten Rundreise durch diese zwei Länder (falls es dort überhaupt welche gibt) hat man so tolle Erlebnisse bestimmt nicht.
    Wir sind begeistert von euren zum Teil sehr lustigen Berichten.
    Weiterhin gute Fahrt und viel Spaß!
    Liebe Grüße
    Heidi und Henner

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