Allein unter Türken

An der Schwarzmeerküste trifft man keine Ausländer. Hier leben Türken. Und Türken machen hier auch Urlaub, so wie Deutsche an der Nord- und Ostseeküste. Noch ist Vorsaison. Alles ist ruhig. Es gibt 1000e Picknickplätze, wo man den Sonntag mit der Grossfamilie verbringt.

In Ünye, einer 110.000 Einwohner Stadt, sind wir die einzigen Touristen. Drei junge Frauen sprechen uns an, da sie neugierig sind, wo wir herkommen.

Samsun liegt ungefähr in der Mitte zwischen der georgischen und der bulgarischen Grenze. Sport wird ziemlich grossgeschrieben. Stark, Auerbach-Volleyball in Kleinasien.

Auerbach in Kleinasien: Mixed Tunier auf hohem Niveau, gesponsert von Red Bull
Reisanbau bei Banfe

Reisende treffen wir nicht mehr. Teeeinladungen bekommen wir zuhauf. Gehst du an der Tankstelle auf die Toilette, wirst du gleich zum Tee eingeladen. Die Familie, die vierzehn Jahre in Ravensburg gelebt hat, deren Haus im Erdbebengebiet vor einem halben Jahr zerstört wurde und die jetzt an die Schwarzmeerküste gezogen sind, teilt mit uns auf der Strasse ihre schreckliche Geschichte.

Rehan, Gamze und Aisha treffen wir im Picknickpark. Eigentlich wollten wir hier unser Zelt aufschlagen, was jedoch verboten ist. Insgesamt sind siebzehn Menschen involviert, um uns Alemani Touries zu bewundern. Zwischen Okzident und Orient, zwischen Kommerz und Konsum. Die drei Frauen aus Samsun tanzen ausgelassen zu lauter Musik, betrinken sich mit Tee und feiern bis in die Puppen, nachdem sie uns eine halbe Stunde vor Mitternacht ins Bett entlassen haben.

Damenwahl mitten im Park
Bei Rehan zu Hause geht es nach dem Abendessen weiter. Musik hochgedreht und Tanzbein geschwungen.

Rolf spielt mit Jugendlichen und Kindern Fussball und Volleyball.

Gamze, Astrid, Rehan und Asiha

Es gibt intime Fragen zum Leben in Deutschland, zur Religion und zum Zusammenleben von Mann und Frau. Leider können wir uns nur per Handy-Übersetzer unterhalten.
Der Islam ist jedenfalls eine schöne Sache, finden die neuen Freundinnen und wir können das sehen und glauben. Wir haben nun ein Zuhause in der Türkei. Nach einem frühen leckeren Frühstück verabschieden wir uns mit Herzschmerz und Rehan geht bestimmt nochmal ins Bett.
Erst bei Sinop, also nach gut sechshundert Kilometern treffen wir die ersten Reisenden. Schweizer, ein deutscher Motorradfahrer und ein britisches Paar. Zusammen eine Handvoll.
Dabei bleibt es.
Mindestens fünf Etappen in der nordanatolischen Schweiz oder der nordanatolischen Bretagne. Die Strecke ist einmalig, mit tollen Buchten. Es gibt wieder Vieh. Die knackigen Anstiege werden mit wunderbaren Aussichten und kurvigen Abfahrten belohnt.

Sonne-Wolken-Mix, mal auch ein warmer Regen und oft ein frisches Lüftchen von Seeseite. Beim Einkauf bekommen wir zwei Eistee geschenkt. Einfach so, weil wir da sind.

Unterwegs treffen wir Devran, der mit seinem Moped unterwegs ist. Wir schleppen uns einen der Berge hoch. Es gibt drei Optionen. Ein für uns zu teures Ressort, Zelten am Strand oder Devran’s Zuhause. Dazu eine Telefonnummer. Sieben Kilometer bis wir anrufen.

Devran holt uns am Strand ab und fährt mit uns zu sich nach Hause nach Bozkurt. Er ist kurdischer Krankenpfleger, jünger als unsere Jungs, besteht darauf für uns zu kochen. Zum leckeren Essen gibt es kurdische Musik, anschließend Tee und jede Menge Videos und Geschichten von seiner Familie und der kurdischen Tradition und Kultur.

Am Morgen ist Devran schon zur Arbeit, während wir nach dem anstrengenden und ereignisreichen Tag ausschlafen können.
Blau-weiss geht es nach dem Frühstück auf einem der Picknickplätze am Strand von Abana weiter. Wir genießen die Panoramafahrt durch die Einsamkeit, die an einem Ort mit Strand und Fischerhafen endet. Schwarze Delfine beobachten wir mit dem Fernglas. Statt Bier gibt es Ayran.

Und die Etappe wird wieder hart. Neunzig Kilometer, etliche Höhenmetern, gefühlte tausend Kurven. Aber wunderschön, unbeschreiblich, nicht zu erschliessen und damit bleibt es für eine Weile vermutlich so. Für Reiseradler nicht attraktiv. Diese wollen meist weiter, wie wir vor vier Jahren auch. Jetzt radeln wir tapfer und mit sportlichem Ehrgeiz auf dieser Traumküstenstrasse. Der Linienbus hält und will uns mitnehmen. Unterwegs gibt es Maulbeeren. Bestimmt haben die ’ne Menge Vitamin C.

Ein Mann trägt drei Artichoken von A nach B. Ein Heuwagen aus dem vorigen Jahrhundert mit einem Paar über 75 Jahre fährt fröhlich vor uns her. Dem anhänglichen Hund hängt die Zunge aus dem Maul. Unterwegs quert ein Fuchs den Weg. Endlich kommen wir in Cide an. Seit zwei Tagen die erste größere Stadt. Es gibt Eis, Ayran und Joghurt, damit wir die letzten fünfzehn Kilometer mit einem Berg auch noch schaffen. Endstation ist in einer traumhaften Bucht. (Wie damals in Cres)

Wir werden mit dem besten Omelett, was Rolf in seinem Leben gegessen hat, belohnt. Später gibt es noch Barbecue von unseren Nachbarn, denen Rolf beim Zeltaufbau geholfen hat. Auf jeden Fall haben wir unsere Kalorienspeicher gut aufgefüllt.

Türkischer Bikepacker auf dem Weg von Istanbul nach Batumi

Dank Duolingo können wir inzwischen einige Floskeln und Vokabeln auf türkisch und werden jeden Tag besser.

Wir grüssen besonders unsere Schweizer Freunde, unsere Bretagne-Fans, die Marsupilamis und Dani und Matthias. An Euch haben wir in den letzten Tagen besonders gedacht.

2 Kommentare

  1. Liebe Radfahrer,

    immer wieder lesen wir Eure hochgeschätzten Reiseberichte mit Bewunderung und ein wenig ungläubigen Erstaunen. Fern der Heimat und hinter dem Horizont geht es weiter. Viel Glück dabei und behaltet Eure Neugierde und unser Dank das wir an den Reisen „teilnehmen“ können.

  2. Hallöchen ihr zwei,

    Jetzt hatte ich einen halben Roman geschrieben und er ist irgendwie nicht gesendet…

    Zusammenfassung :
    Ich bin völlig begeistert davon, dass die zufälligen Begegnungen so intensiv sind und die Menschen derart gastfreundlich und offen.

    Und, dass auch die Frauen so offen sind.

    Liebe Grüße und gute Nacht. Petra

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