Abenteuer Bahnradweg

Gibt es das überhaupt ? Einen abenteuerlichen Bahnradweg? Bosnien’s Ciro Bahnradweg mit ein bisschen Kroatien ist für die, die in der Nähe von Dubrovnik mal Urlaub machen und zufällig ein Fahrrad dabei haben, ein ‚Muss‘: Dubrovnik – Mostar oder andersrum 145 Kilometer durch’s Nichts.

Vorher geht es erstmal ab Jablinica Richtung Mostar. Hier zieht der Verkehr durch die Schlucht der Neretva. Sie ist Teil des Korridors, der von Sarajewo bis Mostar durch die dinarischen Alpen verläuft. Wir haben vierfach Glück: Samstags fahren kaum LKWs, die Sonne scheint, es geht leicht bergab und wir haben Rückenwind. Bergauf mit vollem LKW-Verkehr ist die Strecke nur was für Lebensmüde. Trotzdem ist viel Verkehr und wir sind die ganze Zeit angespannt wie ein Flitzebogen.

In Jablinica: die Brücke ist während des Jugoslawien-Kriegs zerstört worden.
Der Fluss trennte muslimische Bosnier von katholischen Kroaten.
Touristenmagnet Mostar
Stari Most (alte Brücke) von 1566 in Mostar, zerstört im Krieg 1995, wieder aufgebaut
Blick von der Stari Most

Fünfzehn Kilometer hinter Mostar übernachten wir in Buna am Fluss. Am nächsten Morgen radeln wir ohne Touristenbegleitung Richtung Čapljina los. Ab hier führt der Radweg hundert Kilometer bis an die kroatische Grenze. Wir machen es Hana und Peter nach und fahren an einem Sonntag. Die Läden sind alle zu. An der Tankstelle kaufen wir etwas zu trinken, Chips und Kekse. Zusammen mit unseren Vorräten ist das unsere Sicherheit, falls wir keine Unterkunft mit Verpflegung finden. Auf der herrlichen Strecke gegegnen wir einer Handvoll Radler. Der Weg ist zwar nicht autofrei, aber mehr als zwei Hände voll Autos passieren uns nicht. Es gibt tolle Ausblicke auf die Berge des Balkan und auch in die Ebene. Zu Zeiten, in denen der Zug noch fuhr, hatten die Menschen vermutlich kein Auge für diese schöne Natur.

Seit wir gestern die Wetterscheide vom kontinentalen Klima zum mediterranen passiert haben, duftet es nach Kräutern, wie Thymian, Rosmarin, Salbei und Feigen. Granatäpfel sehen wir überall, in den Gärten und wild. Manchmal auch Kiwis, eine Zitrone. Mandarinen werden Straßenrand verkauft. Olivenbäume wachsen hier.

4**** Hotel in Ravno

Auf halber Strecke das 4-Sterne Hotel in Ravno. Wir trinken ein Radler, die Übernachtung liegt über unserem Budget, wir fahren weiter. Es bleibt die einzige Übernachtungsmöglichkeit auf der Strecke. Sonst nur verlassene Dörfer, keine Verpflegung, kein Wasser, aber imposante Eisenbahnarchitektur, Tunnel, Bahnstationen, Steinhaufen und Klöster.

Langsam wird es dunkel. Lediglich eine grosse Schafherde und ihr Hirte laufen uns über den Weg. Wo die wohl noch hinwollen? Die Grenze zu Kroatien ist ganz nah. Hier hat der Krieg gewütet. Als wir schon fast nichts mehr sehen können, halten wir an der alten Bahnstation Jasenica Lug.

Ein riesiger Scheinwerfer leuchtet den ehemaligen Vorplatz aus, den wir als Zeltstellplatz nutzen. Wir waschen uns mit dem Wasser und den praktischen Waschlappen-Tabletten (Tipp von Eberhard, den wir vor fünf Jahren in Albanien kennengelernt haben), trinken ein Radler und futtern Chips. Im Mondschein pflücken wir duftenden Thymian.

Es ist stockdunkel, nur der Scheinwerfer und der Mond. Es ist so still. Noch nicht mal ein Hund bellt, nur ein Insekt, welches die Stufen zur Bahnstation hochkrabbeln will und dann geräuschvoll auf seinen Panzer fällt. Keine Luft-, keine Lichtverschmutzung und auch keine Lärmverschmutzung.

Alpenveilchen statt Herbstzeitlose

Um sechs Uhr stehen wir auf. Wir haben noch dreissig 30 Kilometer bis Dubrovnik. Um 11.00 Uhr geht die Fähre nach Bari.

Im Grenzort werfen wir unsere letzten bosnischen Geldstücke in den Kaffeeautomat. Bars und Lebensmittelmärkte haben noch nicht geöffnet.
Dubrovnik

Der Blick von oben auf Dubrovnik ist gigantisch. Es ist kurz nach acht. Noch ist kaum jemand auf der Strassen. Doch sobald wir auf Meereshöhe unten in der Stadt ankommen, ist es mit der Ruhe vorbei. Was für ein Kulturschock. Nach zwei Wochen Ostkroatien, Serbien und Bosnien ist das für uns kaum auszuhalten. Souvenierstände, teure Bäckereien und Cafés, unfreundliche VerkäuferInnen, Reisebusse, Wohnmobile, Vespafahrer. Scheinbar sind alle in Eile.
Wir sehen zu, dass wir die Tickets buchen und auf die Fähre nach Bari rollen.

4 Kommentare

  1. Liebe Astrid, lieber Rolf,
    ein schöner und interessanter Bericht. Ihr als Radler seht viel von Gegenden, wo keine Touristen hinkommen. Das ist interessanter als das touristische Dubrovnik.
    Die Übernachtung bei der alten Bahnstation war sicher romantisch, aber auch mutig.
    Und jetzt geht es in Italien weiter, wir sind gespannt.
    Gute Fahrt und liebe Grüße
    Heidi und Henner

  2. Passt auf euch auf. Die Wettervorhersagen verheißen nichts Gutes. 150 – 250 l Regen pro Quadratmeter und das bei widrigsten Wegeverhaeltnissen. Alles Gute, ich habe volles Vertrauen. Ihr werdet schon die richtigen Entscheidungen treffen.

  3. Guten Morgen Rolf und Astrid,

    Wow!
    Was für eine „neu-geschichtsträchtige“ Ecke Europas ihr dort befahren habt!

    Die Bahnbrücke, die in die Tiefe gestürzt ist, zeigt nochmal die Brutalität des Krieges und erinnert die Menschen wahrscheinlich ständig an die Gräueltaten, die zuhauf begangen wurden.

    Eure Übernachtung an der gut beleuchteten Bahnstation wirkt auf mich ein bisschen wie Zukunftsroman mit einer Prise Endzeit. Die Gestalt mit der Stirnlampe hat so was außer irdisches an sich…
    ( Der dicke Käfer bringt einen aber auf die Erde zurück).

    Aber diese Landschaft, die ihr durchquert habt, ist beeindruckend schön. Und ich wundere mich auch immer wieder über die immensen Bergketten, die es in Europa gibt und die ich alle nicht kenne.

    Was ist das für ein Fluss mit diesen vielen Wasserfällen nebeneinander?
    So etwas habe ich noch nie gesehen.

    Ich hoffe, eure Überfahrt war nicht zu stürmisch.

    Liebe Grüße von Petra

  4. Hallo seit Games of Thrones ist Dubrovnik wohl noch voller geworden. Meine Kindheitserinnerung daran. Ein paar alte Häuser, nichts los, aber ein schöner Pool in der Hotelanlage. Jeder sieht nur was er kennt. Aber ihr, mit dem gemächlichen Rhytmus der Langstreckenreisenden, erfahrt so viel mehr. So muss der Spruch jeder sieht nur was er weiss, erweitert werden um: Astrid und Rolf sehen, was sie erfahren. Und nehmen uns, über die Berichte, mit in Gegenden, die man sonst wohl nie erreicht. Liebe Grüsse Jörg.

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