Steinreich

… ist Apulien (Puglia), dessen Hauptstadt Bari wir nach sieben Stunden Fährfahrt erreichen. Steinreich, im wahrsten Sinne des Wortes. Im Gegensatz zu den sozialistischen Ländern des Ostens, wo die Steine hergestellt werden oder Beton gegossen wird, gibt es hier Natursteine, aus denen Kathedralen, Basilikas, Häuser, Strassen und ganze Städte gebaut wurden und werden. Unendlich weite Olivenhaine sind mit teilweise meterdicken Steinmauern umgeben. Gegen halb sieben radeln wir von Bord. Es ist schon stockdunkel. Seit dem 21. September ist die Nacht wieder länger als der Tag. Wir haben ein Zimmer in der kleinen Stadt Sannicandro di Bari, zwanzig Kilometer von Bari, im Landesinneren gebucht. Die Route führt stadtauswärts über verkehrsarme Wege. Wir durchqueren zwei Vollsperrungen wegen Baustellen, die aber notwendig sind, um u.a. die Autobahn zu überqueren. Über eine grosse Brücke fahren wir auf dem komplett zugewachsenen Radweg, der zudem etliche Stolperfallen, wie hochgestellte Platten und riesige Löcher, aufweist. Zum Glück leuchten unsere Räder den Weg gut aus, sodass wir ohne weitere Vorfälle gegen acht unser gebuchtes Zimmer erreichen. Sehr herzlich werden wir von Nina, die so ist, wie man sich eine ‚grande dame Süditaliens‘ vorstellt, empfangen. Schnell geduscht laufen wir ein paar Schritte in die kleine Stadt, kehren ein in die lokale, traditionelle Trattoria Il Nascondiglio, die versteckt in einer kleinen Gasse liegt. Ohne Nina hätten wir sie nicht gefunden.

Il Nascondiglio (= das Versteck)

Am nächsten Tag Ausflug mit dem Bus nach Bari. Anders als andere Städte in Apulien ist Bari lange nicht so „herausgeputzt“. In Bari erwarten uns einige eindrucksvolle Kirchen, allen voran die gigantische Kathedrale, die nicht weniger grossartige Basilika des Heiligen Nikolaus und eine schöne Altstadt. Das süditalienische Flair, die lauten Italiener, ihre Lebensfreude und Leichtigkeit macht Lust zum Bleiben.

Ein Relikt von 250 n. Chr.
Bei Martinucci gibt es das beste italienische Eis

Die alten Gebäude sind sehr gut erhalten, die Fassaden gestrichen, die Holzläden renoviert, der Bahnhof supermodern. Ebenso der öffentliche Nahverkehr per Bus und Bahn. Wir dachten immer, alles südlich von Mailand ist alt und die Infrastruktur marode (wie in Deutschland).

NIcht nach Urin stinkende Eisenbahnunterführung

Mit dem Zug geht es nach Matera. Matera ist eine der ältesten dauerhaft bewohnten Städte in Italien, vermutlich der Welt. Zurück verfolgen kann man es bis ins Paläolithikum, 10. Jahrhundert vor Christus.

Wir reisen weiter über Alberobello, das Trullidorf. Die schuppenartigen dunklen Bruchsteindächer geben dem weiß getünchten Trullo, der ursprünglich in den Feldern und nicht im Ort stand, sein charakteristisches Aussehen. Durch ihre Bauweise aus massivem Naturstein mit sehr dicken Wänden und winzigen Fenstern bieten die Trulli einen guten Schutz gegen die anhaltende Sommerhitze in Apulien, weil sich das Innere nur langsam aufheizt. Im Winter hingegen speichert ein Trullo für lange Zeit die Wärme, die durch einen offenen Kamin erzeugt wird. 1430 Stück stehen in dieser Gegend, als Wohnhäuser, Hotels, Arztpraxen und anderes um Touristen anzulocken.

Alberobello

Über Locotorondo erreichen wir Ceglia Messapica. Das wird der südlichster Punkt unserer diesjährigen Reise. Wir kampieren auf einer von Deutschen geführten Eselfarm mitten in der Kaktusplantage.

Abgesehen von den Eseln ist es hier nicht so toll. Mit den Besitzern liegen wir nicht auf einer Wellenlänge und die Tiere nerven: abends Mücken, die ganze Nacht hindurch ununterbrochen Hundegebell der umliegenden Höfe und morgens Millionen von Fliegen.

Der Bicitalia 11 – Ciclovia dell’Acquedotto Pugliese gefällt uns so gut, dass wir den nächsten Tag ein Stück zurückradeln und dann geht es endlich ans Meer: Polignano a Mare. Die meisten Gebäude der Altstadt sind weiß oder hell getüncht und erinnern mit ihren Flachdächern an nordafrikanische Städte. Polignano ist im Westen von einer hohen Stadtmauer und im Osten von den Klippen begrenzt, die etwa zwanzig Meter über das Meer aufragen und dazu von den Fassaden der Häuser optisch hochgezogen werden.

In den Felsen finden sich viele Grotten. Zwischen den Felsen gibt es kleine Badebuchten. Es ist das letzte Septemberwochenende, letztes Wochenende der Saison. Die Stadt ist voller italienischer Lebenslust.

Wir nehmen den Zug nach Foggia und testen schon mal den Fahrradtransport. Einfach!
Von Foggia Richtung Meer zu unserem Urlaubsstandort Camping Lago di Salpi, flach, flacher, am Flachsten

Hier ruhen wir uns von der körperlich, aber auch mental fordernen Reise der letzten vier Monate aus: Lassen die Seele baumeln und stellen den Blick auf unendlich. (Danke, Fred, für diesen Spruch! Er passt gerade 100% zu unserer Verfassung.) Auf dem schönen Camping Lido di Salpi mit Puderzuckerstrand, Blick auf die lebendige Stadt Manfredonia (MampfFredonia) mit Fischerhafen und den Gargano (italienischer Fersensporn), ein gebirgiger Nationalpark im sonst so flachen Apulien.

Camping Lido di Salpi, unser Standort für die Entdeckungsreise Gargano
Im Hintergrund der Gargano

Die Tage sind eintönig …

… morgens Frühstück am Strand. Danach in der Sonne abhängen, lesen, im Meer baden …

… nachmittags radeln wir die 10 km nach MampfFredonia für Gelati und dann Käffchen in der Hafenbar …

… danach Einkaufen im Spar und auf dem Rückweg an der Büffel-Käserei famosen Mozarella di Buffalo reinshoppen …

Diese Büffel sorgen für wohlschmeckenden Mozarella

… abends dann kochen, ein Bierchen und ein Plausch mit den Nachbarn.

Manfredonia
Manfredonia’s Fischerhafen
Tagesausflug in die Berge: Monte Sant Angelo, Pilgerstätte und UNESCO-Welterbe
Monte Sant Angelo: dafür sind wir 750 Höhenmeter auf zwölf Kilometer geklettert, unten liegt das Meer.

3 Kommentare

  1. Ihr habt ja Glück gehabt, dass ihr Bosnien – Herzegowina früh genug verlassen habt. Gerade Jablanica ist von einem schweren Unwetter mit bisher 20 Toten schwer getroffen worden. Moschee ist bis auf Minarett total in den Fluten versunken

  2. STEINREICH …das seid ihr in eurem Herzen.. mit all den wunderbaren Erfahrungen.. mit all den schwierigen und liebevollen Begegnungen… mit all den tollen Erlebnissen …
    ….BEWUNDERNSWERT …

    Liebe Grüsse aus dem noch sommerlichen Peloponnes
    Ursula & Hanspeter

  3. Hallo ihr zwei,

    Ah, das hört sich doch nach Urlaub an und sieht auch so aus . Bella Italia (bis auf die Mücken – Fliegen – Hunde).
    Diese Trullis sind ja witzig und die Orte sehen sehr romantisch und malerisch aus mit den vielen verschachtelten Häusern aus schönen Steinen… drin wohnen könnte aber auch sehr unromantisch sein.

    Was für ein Gegensatz zu Teilen der anderen Seite der Adria.

    Ein gemütliches Ausruhen wünsche ich euch.
    Petra

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