Fünf Tage harren wir auf Srdan’s Camping ‚Lužani‘ in Klokotnica in der Nähe von Doboj aus. Srdjan hat es richtig gemacht und ist rechtzeitig vor dem Wettereinbruch in die Schweiz gefahren. Anstatt seiner haben wir das Haus übernommen.
Für uns ist es eine Bewährungsprobe, einfach dort zu sitzen und zu warten, das der Regen aufhört. Die Strassenverhältnisse hier in Bosnien laden nicht zum Weiterfahren ein.
Ab und zu kommen und gehen Srdjan’s Kumpels. Trinken und Rauchen – self-service. Frühstück mit Schnaps und zwei Zigaretten. Auch einige Camper machen halt. Die zahlen, setzen sich ihr Auto und sind am nächsten Morgen, bevor wir es merken, schon wieder verschwunden. Jessy und Alexander, das chinesisch-norwegische Paar, leistet uns die zweite Hälfte auf ‚Lužani‘ Gesellschaft. Ihr größtes Projekt ist das gemeinsame Reisen durch die Welt, das heisst Grenzüberquerungen mit einem norwegischen und einem chinesischen Pass, mit Schengen-Visa für neunzig Tage und hoffentlich bald mit einer Heiratsurkunde. Es gibt Sachen, die kann man sich nicht vorstellen. Für uns ist es so einfach über die EU-Grenzen und auch über die EU Aussengrenzen zu radeln.
Endlich geht’s weiter. Firmenbesichtigung in Zepce, Bosnien. Die norwegische Firma Eagle Technology hat Container entwickelt, die Plastikmüll in Öl umwandeln. Hier ist eine Produktionsstätte mit 150 Mitarbeitern.
Bizarr: In Bosnien-Herzegowina gibt es keine Mülltrennung, kein Pfandsystem. Der Müll liegt in den Strassengräben, Picknickplätze sind vermüllt. Es gibt Plastiktüten zu jedem kleinen Einkauf und Trinkhalme an den Schnellgetränken. Die aus Deutschland eingeführten alten Dieselautos verpesten mit ihren Abgasen die Luft. Und eine norwegische Firma investiert und schafft Arbeitsplätze hier, um in ihrem Land Müll zu recyclen. Alexander, der reisende Projektingenieur, hat sich mit uns verabredet. Wir sind in die gleiche Richtung abgefahren und treffen uns hier in Zepce nochmal wieder.
In der Industriestadt Zenica bekommt man eine Idee vom ehemaligen sozialistischen Jugoslawien. In der mit 115.000 Einwohnern viertgrösste Stadt Bosnien-Herzegowinas leben überwiegend Bosniaken (Muslime).
Weiter geht es nach Bugojno. Eine lebhafte Stadt mit 33.000 Einwohnern und Verkehrsknotenpunkt. Kleidung und Möbel werden hier hergestellt. Es gibt Lederfabriken und etliche kleine Schusterläden. Auch hier wohnen überwiegend Bosniaken und Kroaten. Morgens schlagen zuerst die Glocken der katholischen Kirche, mittags ruft der Muezzin.
Es ist Championsleague-Woche und in jeder Bar werden die Spiele übertragen. Mit den Rechten und Gebühren sieht es hier in Bosnien anders aus als zu Hause.
Die Menschen sind überaus freundlich. Jeder grüsst. Junge und Alte winken am Strassenrand und das ein oder andere Auto fährt hupend vorbei. Andere Fahrradfahrer gibt es nicht. Es gibt leckere Pekaras (Bäckerläden) mit gefüllten Bureks (=Börek) und Restaurants. In den Bars und Cafès werden wir mehr als einmal eingeladen.
In Bugojno wohnen wir in ‚Mike‘ ’s schönem Appartment. Der ehemalige Profifussballer mit immer noch brennendem Fussballherzen lädt uns zum Kaffee ein und erzählt aus seinem sportlichen und unternehmerischen Leben, kennt noch Jupp Derwal und Rüdiger Abramczik aus seiner Zeit bei Galatasaray Istanbul, hat mit Ion Tiriac Geschäfte gemacht und wohnt nun, nachdem er über 30 Jahre u.a. in Amerika gelebt hat, seit vier Jahren wieder in seiner Heimat. Gerne nehmen wir seine Restaurant- und Routenempfehlungen an.
Dazu die Route unserer Vorbilder Hana und Peter https://www.love2.bike/, die mit ihren Gravelbikes im letzten Herbst in Bosnien-Herzegowina unterwegs waren. Und so finden wir herrliche Wege und Plätze im Balkangebirge.
Bei der Routenplanung suchen wir Nebenstrassen mit wenig Schwerverkehr. Wir schauen nach Steigungen, die wir mit unseren bepackten Reiserädern im bergigen Balkan bewältigen können. Dafür nehmen wir auch gerne Schotterpisten, die meist gut zu fahren sind.
Das Wetter hat sich normalisiert. Es hat satte 17 Grad mit steigender Tendenz und die Sonne schaut des öfteren zwischen den Wolken hervor. Heute übernachten wir nach acht Tagen das erste Mal wieder im Zelt, am Ramsko Jezero (=See), zusammen mit einem bretonischen Paar, das wie wir seit drei Monaten mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Aus der eingeschränkten Berichterstattung ist eine ausführliche geworden, aber das wussten wir zu Beginn der Woche noch nicht. 🙂
Sehr schöne Reportage welches klar aufzeigt, dass eine Traumwelt Traumwelt bleibt und wir uns besser mit der (harten) Realität auseinandersetzen sollten. Wir leben in einer Notenbankfinanzierten Traumwelt und werden nächstens aufwachen aber hey wenn stört es – genießen wir es bis zum abwinken. Ich wünsche Euch interessante abwechslungsreiche Begegnungen- das ist was das Leben ausmacht. In diesem Sinne herzliche Grüße aus der ewigen Stadt – Günther
Hallo ihr zwei,
Dieser Teil eurer Reise ist zwar schon 2 Wochen her, ich lese ihn aber erst jetzt.
Es ist wirklich toll , wie weltoffen und auch vertrauensvoll so viele Menschen sind, die ihr kennen lernt!
Ich bin das eher nicht.
Diese norwegische Firma zum Recycling finde ich phantastisch. Im übrigen habe ich kürzlich gelernt, dass es richtig viele Initiativen und auch Umsetzungen zum Thema Klimawende gibt. Allerdings scheint mir dies wirklich schlecht kommuniziert zu werden.
Die 5 Tage des Ausharrens waren bestimmt hart für euch! Aber danach wurde es ja wieder trockener und wärmer und ihr konntet wieder zelten.
Zum Glück.
Beste Grüße aus Aachen von Petra