Zauber auf dem Balkan oder auf dem Pulverfass Südosteuropa

Kurz vorm Dunkelwerden, am Sonntag, kommen wir im Gartencamping bei Osijek, Kroatien’s viertgrößter Stadt ganz im Osten, an. Der nette Besitzer versorgt uns mit Bier aus seinem Privatkühlschrank, denn der einzige Laden hat schon zu. Wir teilen uns den Platz mit Deutschen, Schotten, Engländern und drei Motorradfahrern aus Polen. Es ist schön, mal wieder in einer Sprache zu reden, die beide Seiten verstehen.
Das sind für die nächste Zeit die letzten Touristen, die wir treffen.

Osijek an der Drawa

Der erste bedeckte Tag seit Monaten. Es nieselt leicht bei 25 Grad. Die Autos einschließlich vieler LKWs rasen auf der schnurgeraden Strecke an uns vorbei. Ein Grossteil ist als Eurovelo 6 – Donauradweg ausgezeichnet. Ein Witz! Denn an der Donau geht er fast nie entlang.

Pause in Vukovar, weniger eine Stadt als ein Mahnmal für die hart umkämpfte Stadt im Jugoslawienkrieg 1991 bis 1995. Stark zerstört und noch 10 Jahre lang eine Geisterstadt an der Grenze zu Serbien. Langsam erst verstehen wir, dass Kroatien nicht nur aus der touristischen Mittelmeerküste besteht, wo seit der Euro Umstellung vor zwei Jahren alles so teuer geworden ist.

Wir reisen wieder, dass heisst – abseits der Touristenpfade – Land und Leute entdecken!!!

Mit Kriegsmalen versehener Wasserturm, heute oben ausgebaut

Es wird schon dunkel, als wir den winzigen Ort Sarengrad erreichen, der zu Kroatien’s östlichster Stadt Ilok gehört. Noch vierzig Kilometer zum geplanten Ziel zu radeln. Durch Zufall entdecken wir das ‘Kapetanova Kucha’ direkt an der Donau. Romano und seine beiden Hunde Dino und Tia haben hier einen Platz an der Donau und er lädt uns ein, zu bleiben. Dinka hat das Haus und den Garten ihres Bruders für Reisende, Kanuten und Pilger geöffnet. Übernachtung, warme Dusche, Küche mit gefülltem Kühlschrank und Wohnzimmer zur freien Benutzung. Schlafen könnten wir auch auf den gemütlichen Sofas. Ein kleiner Supermarkt ist fünfzig Meter entfernt.

Wohn- und Esszimmer für die Gemeinschaft
Wir schlafen im Zelt, nur die Fahrräder parken drin.

Es ist unglaublich, dass es sowas in der westlichen Welt noch gibt. Dinka’s Gästebuch erzählt von den Menschen, die wir wir hier übernachtet haben. Manche eine Nacht, einige mehrere Tage.

Dinka, eine bemerkenswerte Frau mit unendlicher Energie, spielt Violine, unterstützt Kinder und gibt Obdachlosen eine Aufgabe und ein Zuhause.
Zeljko, ihr Freund aus Vukovar, baut eine Kiste für das Klavier, damit es den feuchten Winter überlebt. Von kurzer Hand hat er uns die weitere Route bis Griechenland geplant.
Sarengrad, Blick von Dinka’s Campingplatz (keine Fotomontage!)

Jetzt geht es nach Serbien. Der Binnenstaat ist seit dem endgültigen Zerfall Jugoslawiens 2006 auch ‘alleiniger Rechtsnachfolger’ Jugoslawiens.

Naturreservat “Zasavica” bei Sremska Mitrovica: Wer findet das Wildschwein ?
Wie bei den ‘Siedlern von Catan’
Pule aus Eselsmilch – teuerster Käse der Welt: 1000€/kg – wird hier hergestellt.
Sremska Mitrovica: typisches Strassendorf
Der nette Treckerfahrer lädt uns auf ein Bier ein. Es ist aber noch “vor” 12 Uhr und wir müssen leider ablehnen.

Weiter geht es nach Bosnien-Herzogowina. Plausch mit dem Getränkemarktbesitzer. Die Großeltern des Bosniers lebten in Deutschland und so sprechen die Menschen manchmal einige Worte Deutsch, manchmal mehr. Sie freuen sich uns zu treffen.

Bijeljina, Republik Srpska, in Bosnien-Herzegowina

In Brcko, einer 80.000 Einwohner Stadt, haben wir ein Appartment gemietet. Wunderbar! Im 8. Stock mit bester Aussicht aus dem Wintergarten und mit Klimaanlage. Gastgeberin Zorica zeigt uns alles. Erste Herausforderung ist es unser Hab und Gut durch die engen Aufzüge hoch zu schaffen. Die Fahrräder gehen nur über die Treppe. Die Dusche will verdient sein. Jetzt liegen wir auf dem Bett und die Anstrengung ist vergessen – bis zum nächsten Mal!

Honigmarkt in Brcko

Wir bekommen eine Idee von der Komplexität des Balkans: multiethnisches und multireligiöses Zusammenleben von katholischen Kroaten, orthodoxen Serben, Juden und Muslimen, abgesehen von den politischen Grenzen Kroatien, Bosnien und seinen Entitäten Republik Srpska, District Brcko und Serbien. Währung ist die “Konvertible Mark”, im festen Verhältnis 1,95:1 zum Euro gebunden. Sie entspricht somit dem Wert der früheren D-Mark. Liebhaber der guten alten D-Mark sind hier also richtig. EU-Handy Roaming geht in Bosien nicht. Wir bekommen aber innerhalb von zwei Minuten eine SIM-Karte mit 4GB für 3€uro ohne Registrierung.

Über kleine Dörfer radeln wir weiter Richtung Südwesten. Es ist Maisernte und Kartoffeln werden ausgemacht. In einer Bar machen wir halt. Zur Cola werden wir von den Gästen eingeladen.

Schlaue Maschinen, da fliegen die Maiskolben. Gepult wird zu Hause, manchmal ein Happening mit der ganzen Familie
Apfelernte

In der Nähe von Doboj fahren wir auf einen Campingplatz. Srdjan, Serbe, hier geboren(!), heisst uns mit kaltem Bier willkommen. Wir setzen uns und plaudern, als wenn wir uns schon lange kennen. Lange hat Srdjan in der Schweiz gelebt und gearbeitet, kann gut Deutsch, um über alle denkbaren Themen zu sprechen und ab und zu einen lustigen Spruch anzubringen.

Srdjan kocht für uns mit unseren Zutaten
… und isst mit uns

Heute morgen fährt er mit dem Bus in die Schweiz zu seinen Enkelkindern. Es ist 9 Grad und regnet. Wir sollen derweil in seinem Haus bleiben und auf besseres Wetter warten – machen wir. Sein Hund Bobby und Nachbarin Branka passen auf, das es uns gut geht.

Nach Monaten die Regenjacke rausgeholt

‘Der Balkan ist authentisch, herzlich, wild, abwechslungsreich, spannend und schön!’

Übrigens, für alle, die den Faden verloren haben, findet ihr hier unsere Reiseroute bis Serbien https://rapl-kiste.de/wp/maps/

2 Kommentare

  1. Quand je regarde vos trajets vélo les amis, les bras m’en tombent… car tous ces périples, à vélo faut-il le rappeler !! Grand grand respect. A l’approche de l’automne, vous avez mérité de vous reposer ! Cuisses et mollets désormais au repos. Pensées bigoudènes

  2. Hallo, wirklich spannend eure Reise! Ich hoffe das Wetter ist inzwischen so wie bei uns wieder etwas freundlicher geworden. Weiterhin gute Reise und passt auf euch auf! Liebe Grüße, Lisa 🙂

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