Seemannslieder am Lagerfeuer

Es ist Feierwochenende in Polen, wie in anderen überwiegend katholischen Ländern auch. In der Suwalki-Lücke, Europa’s gefährlichstem Korridor, zwischen Litauen und Polen, campieren wir im Nationalpark am Wigri-See, einem der klarsten, sehr idyllischem polnischen See. Beim Teufelchen (So hat Astrid den überaus freundlichen Gastgeber, der sein Seegrundstück an aktive Camper geschäftstüchtig vermietet, getauft.) finden wir noch ein kleines Plätzchen zwischen den Zelten, Wohnwagen und Campern der zahlreichen Familien mit Kindern. Es ist hochsommerlich und der grosse Gartencamping hat sich in eine Spiel-, Sport- und Liegewiese verwandelt.

Camping Pokoje nad jeziorem Wigri Jurkun

Es gibt Boote zu mieten, Liegestühle, überdachte Sitzecken. Eine davon haben wir uns gesichert zum Kochen und Essen direkt am See. Als es abends, schon dunkel, anfängt zu schütten, kommen ungefähr zehn  Menschen angelaufen und fragen, ob sie bei uns untersitzen können. Der Bann ist gebrochen. Die zurückhaltenden Polen kommen von ihrem Lagerfeuer, setzen sich zu uns an den Tisch und der feuchtfröhliche polnisch-deutsche Abend nimmt Fahrt auf. Es gibt lokalen Schnaps, Grillgemüse, eingelegte Gurken und später Würstchen am Spiess. Eigentlich haben wir gerade eine grosse Nudelportion in uns hineingefuttert. Aber jetzt können wir nicht ‚Nein‘ sagen. Es werden Seemannslieder gespielt und bei Martin, Lukas, Artur und co. grooft es so richtig. Wir kein polnisch, die neuen Kumpel und Kumpelinen etwas englisch. Das Zauberwasser lockert die Zunge. Es ist lustig. Und wir erfahren einiges von den Menschen aus Warszawa und Bialostok. Kurz nach Mitternacht lassen wir die Feiernden am immer noch lodernden Feuer allein.

Am nächsten Morgen geht es für uns weiter nach Suwalki und dann mit dem Flixbus nach Warschau. Die Familien haben noch einen Tag, bis ihr kurzer, aber intensiver Urlaub vorbei ist. Eine schöne Tradition, so, wie unsere Himmelfahrtswochenenden vor Jahren.

In Warschau angekommen, radeln wir zwanzig Kilometer durch die Nacht auf den kleinen Camping Wok. Es ist Samstagabend und so bekommen wir einen Eindruck vom Nachtleben. Lars und Heike, unsere Hamburger Freunde, kommen am nächsten Morgen. Gemeinsam geht es per Rad zur Stadtbesichtigung.

Belebte Warschauer Altstadt, so bunt haben Heike und Astrid sich das nicht vorgestellt
Warschauer Wahrzeichen, 1952 erbaut
Standort des Warschauer Ghettos, heute Museum der Geschichte der polnischen Juden
Warschau überrascht
Schön war’s

Die Polin Kathy Niewiadoma gewinnt die Tour de France mit vier Sekunden Vorsprung vor der Vorjahressiegerin Demi Vollering.

Überquerung der Weichsel

Schon zwei Tage Schwüle. Gegen zehn Uhr radeln wir ab. Sechzig Kilometer später blitzt und donnert es rechts und links von uns. Neben uns die vierspurige Autobahn. Ein Kreisverkehr. Wir biegen ab, sind dann auf freier Fläche. Die Blitze sind nah. Der Donner kracht. Nur ein drei Sterne Hotel steht mitten im Nichts – Gorzno. Es ist ein niegelnagel neues Hochzeitshotel. Nach kurzem Zögern laufen wir durch den Regen auf den Eingang zu. Vor dem Hotel wartet ein schwarzes Auto. Der Fahrer gibt uns ein Zeichen, dass wir reingehen können und telefoniert dann mit der Rezeption. ‚Wasser oder Kaffee? Toilette geradeaus.‘ Erst nur mal so checken wir den Übernachtungspreis bei booking.com. Die Bewertungen sind klasse, Frühstückbuffet ist inklusive und der Preis passt in unser Budget. Wir sind vermutlich die einzigen Gäste.

Wir setzen uns, nass, wie die Katzen, und warten das Unwetter ab.
Die Räder übernachten im Saal.
Danke für die Gastfreundschaft

Unser nächster Halt ist die ‚Feel Free Farm‘ https://www.feelfreefarm.com/ in den Vorkarpaten bei Laczna. Iris führt die Pferdefarm gemeinsam mit ihren Eltern Geert und Ingrid seit fünf Jahren. Sehr nett und unkompliziert, und für uns ein bisschen zu Hause.

Reifen flicken

Gemeinsam mit einem holländischen Paar und einem belgischen Koch haben wir hier ein intensives Erlebnis. Nach zwei Nächten im Zelt ziehen wir für eine Nacht ins Gästehaus. Abends läuft Udo Lindenberg’s Stark wie Zwei‘. Wir geniessen die Gastfreundschaft pur: Feel FREE. Wenn das Haus in der Bretagne in der Nähe am Meer läge, hätten wir es spontan für den Winter gebucht.

Iris. Spontane Seelenverwandschaft. Wie schön, dass wir uns kennengelernt haben.

83 Kilometer weiter liegt unser nächstes Ziel. Wir haben ein Zimmer auf halber Distanz zu Krakau gebucht. Da dieses ein Bericht der Überraschungen ist, wollen wir euch die Tour und das Ziel nicht vorenthalten. Seit wir Iris und ihre Pferdefarm verlassen haben, treffen wir mehr als zwei Hände voll Menschen, die uns im Café, an der Ampel und anderswo ansprechen. Es ist als wären wir in einem anderen Land. Wir machen Halt in Kielce. Nie gehört, aber lebensfrohe Menschen dort.

Café Meet Me in Kielche
Kielche, Museum Narodowe

Unser Ziel Heute ist Belk, im Nirgendwo. Wir brauchen etwas, bis wir die Adresse finden. Der Besitzer ist durch. Das Haus ist leer. Alles vorhanden, jede Menge Zimmer, Volleyballfeld, Pferdewiese, streunende Katzen, aber sonst kein Leben, keine Leidenschaft. Iris, was für ein Gegensatz zu deiner Feel Free Farm! Wir tragen es mit Fassung, nutzen das riesige Haus mit etlichen Zimmern, Küche, Sitzecken, gutem WLAN und schreiben den Bericht der Woche.

4 Kommentare

  1. Vermutlich würde ich den Blog auch lesen, wenn mir die Protagonisten unbekannt wären..
    Immer eine Freude zum Wochenende.
    Dank dafür.

  2. Hallo ihr Zwei,
    durch eure Art zu reisen lernt ihr wirklich Land und Leute kennen.
    Die Unterkunft in der Feel Free Farm sieht sehr gemütlich und urig aus, aber in der vorigen Unterkunft in dem Hochzeitshotel hatten eure Räder eine sehr noble Garage.
    Viele spannende Erlebnisse weiterhin und viele Grüße
    Heidi und Henner

  3. Liebe Freunde,

    es ist immer wieder faszinierend wenn man auf ganz normale Menschen, egal wo und in welchem Land, trifft.Erst wenn Politik und / oder Religon dazu kommt ist es vorbei. Familiär bedingt habe ich erhebliche Probleme mit Polen , auch mehrmalige Besuche haben diese eher verstärkt, aber ich war auch nicht mit dem Rad da.Macht Ihr weiter und wir sind in Gedanken bei Euch, nach dem Motto, wo mögen Sie gerade sein. Liebe Grüße und immer etwas Luft im Reifen.

    Christel und der Schreiberling, Fred K.

  4. Guten Morgen Rolf und Astrid,

    Ja, was für Gegensätze!
    Und wie schön, dass dann doch noch jedes Land euch Schönes und Überraschendes bieten kann und ihr immer wieder nette Menschen trefft.
    Polen ist für Jörg und mich noch ein fast unbekanntes Land und wir haben es in unseren Kreis der künftigen Urlaubs Ziele aufgenommen. Es ist halt
    Das Sonnenuntergangs (Aufgangs?) – Foto ist richtig schön und romantisch.

    Ich bin gespannt, wo lang ihr weiter fahrt.
    Ganz viele liebe Grüße von Petra

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