Fjörd, Fjell, Vidda – Norwegen ist ‘ne Wucht

Die zerklüftete Küste schafft es, dass man ohne Garmin völlig die Orientierung verliert. Mal ist das Meer rechts, mal links, mal ist es nur ein See und mal ein Fjord. Der hohe Sonnenstand tut sein Übrige. Er sorgt dafür, dass wir zeitlos sind und manchmal bis spät in den Abend radeln. Auf den Campingplätzen einchecken geht immer und zu jeder Zeit.

Fähre von Kragere nach Irgendwo

Auch direkt am Meer knacken viele Tagesetappen die 1000 Höhenmetermarke. Steile Stiche bis zu 20 Prozent, manchmal noch auf Schotter, fordern alles von uns ab.

Norwegen und die Schönwetterradler arbeiten an ihrer Liebe füreinander. ‘Einmal Norwegen, immer Norwegen’ hören wir mehr als einmal von deutschen Touristen, meist mit Wohnmobil unterwegs. Wir kämpfen mit der Wetterlage, mit dem ‘Simple Life’ auf Campingplätzen, mit den ‘glücklichen’ Norwegern. Vielleicht ist Norwegen nur bedingt für die Erschließung per Rad geeignet, das sich scheinbar endlos in den Norden ziehende Land. Oder wir sind doch eher die, die die Stadt und ihre Menschen suchen? Wer monatelang weitgehend im Dunkeln lebt, wird vielleicht seltsam. Auf der Straße nimmt kaum jemand Notiz von uns. Das ist uns in noch keinem von uns beradelten Land passiert. Hier sind es einzig Sportler – Rennradfahrer, Jogger, Langläufer auf Rollskie und Skater, die grüßen. Ist natürlich auch schön.
Heute sind wir in eine Sackgasse geraten. Der Weg endete vor einem Privathaus mit offenem Fenster. Vielleicht kann uns jemand weiter helfen. Eine Person erscheint am Fenster, sieht uns, und macht das Fenster zu – auch eine Botschaft.

Rathaus in Kristiansand
Kristiansand: Picknick im Park
Kristiansand’s Dom

Von Kristianssand aus geht der Radweg Richtung Norden. Noch zwei Stunden bis es regnen soll. Ankunft 17 Uhr, Bornes Camping. Wir sind trocken geblieben. Nach Check-In durch den Herrn mit typischem norwegischen Charme gibt es den vorhergesagten Wolkenbruch. Den Abend verbringen wir mit Müsli und Schokolade im Trockenraum. Dort gibt es einen Wäscheständer und es ist geheizt. Echter Luxus für uns Radler. Wir gehen alle möglichen Optionen für die Weiterreise durch: 1) Norden, 2) Osten, 3) Westen oder gar 4) die Fähre nach Dänemark und von da nach Göteburg und weiter durch Schweden. Aushalten und Durchhalten. Wir fahren erstmal nach Norden.

Endlich bekommen unsere kuscheligen Schlafsäcke die Wertschätzung, die sie verdient haben. Morgens packen wir das Zelt nass ein und radeln weiter durch das herrliche Setlasdal und erreichen nach 25 Kilometern Evje, eine kleine norwegische Ansiedlung mit erfreulich vielen Geschäften. Eisen und andere Erze hat man hier früher abgebaut. Die Kulisse ist herrlich. Wir frühstücken am Fluss und entscheiden spontan an dem unweit entfernten Campingplatz Tag und die kommende Nacht zu verbringen: Camping Odden. Ein superschöner Platz bei Sonne und Regen. Schnell ist das Zelt getrocknet und wir schlendern gemeinsam durch die Läden. Es gibt Rentierfelle zu kaufen, Souvenirs und was zu Essen. Wir gehen in die Bibliothek mit Tourismusinfo, um die weitere Route planen zu können.

Camping Odden: Blick vom Frühstücksplatz

Ins Zelt kriechen wir mit dem tollen Gefühl, dass wir morgen früh in einen blauen Himmel blicken.
Genauso kommt es. Der Himmel ist blau. Frühstück am Fluss. Besser geht es nicht und die Tagesetappe ist echt stark. So, wie man sich Norwegen vorstellt… oder die Schweiz. Wir radeln auf dem Nationalradweg 3 ‘Fjorde und Berge’, immer an der Okra entlang. Es geht auf und ab. Rechts und links gigantische Felsformationen mit rauschenden Wasserfällen. ‘Arte live’ eben.

Fehlt nur der Eisbär, der auf die Lachse wartet
Picknickplatz im Setlasdal: In Norwegen gibt es Häuschen für Toiletten, für Abfall, für Briefkästen …
… Bushäuschen

Nach 110 Kilometern mit steifer Brise von vorn werden wir im Camping Flateland, am Fuss eines Wasserfalls, willkommen geheissen. Die nette Frau an der Rezeption freut sich über uns Radler. Sie ist letztes Jahr von Holland nach Rom geradelt. Heute ist sie stolz auf uns.
Wir suchen uns ein Plätzchen und dann gibt es das EM Deutschlandspiel. Im Windschatten des Zeltes genießen wir die warme Sonne. Herrlich! So kann’s weiter gehen.

Einer von unzähligen Wasserfällen
Campingplatz mit Self-Service, gegründet 1939

Hohe Felswände, schwarzblaues Wasser. Mal rechts des Wassers, mal links. Auf der anderen Seite die Autos und Wohnmobile. Über Hovden geht es nach Haukeli. Hovden hat Skistation und Badestrand in einem. (Das Beweisfoto fehlt leider.) Haukeli ist das Tor zu Hardangervidda, dem Nationalpark, einer grossen Hochebene auf 1300m Höhe. Heute noch eisig. Morgen steigen die Temperaturen. Und wieder sind wir zuversichtlich morgen trocken aus dem Zelt zu kriechen und in die Sonne zu blinzeln.

Camping Flothyl in der Abendsonne: Die Flyer zeigen den strammen, frischen Westwind an.
Am nächsten Morgen: Die Sonne lädt zum Frühstück ein. Der Wind ist wie weggeblasen.

Midsommer. Fünfundfünfzig Kilometer Straße E134 bis zum nächsten Ort mit Einkaufsmöglichkeit, Røldal, liegen vor uns. Die Zeit vergeht wie im Flug. Norwegen zeigt sich von seiner besten Seite. Die meisten Tunnel sind für Fahrradfahrer gesperrt und wir umfahren sie auf den herrlichen alten Passstrassen. Wir sind wirklich geflasht.

Video: nach der Passhöhe leichtes Gefälle – so lieben wir das
Wo ist der Eisberg?
Hangardavidda, die norwegische Tundra
Pause in Røldal. Blick zurück in die Hochebene

In Røldal entscheiden wir uns, das Traumwetter zu nutzen und noch einen Pass mit sechshundert Höhenmeter zu fahren. Ab dann geht es nur noch bergab.

Umfahrung des Haukelitunnels, 5.7 Kilometer
Murmeltiere gibt’s hier nicht und die Polartiere zeigen sich nicht.
Gletscherwasser, gut gekühlt. Wasserfilter braucht man hier nicht.

Norwegen hat uns gewonnen.

6 Kommentare

  1. Liebe Grüße von Lisa und mir an die Nordlichter. Sehr schöne Bilder, die zu der regnerischen Kälte heute passen. Wir sind mit der Gemeinde in der fränkischen Schweiz und Bamberg gewesen, aber mit dem Bus ???? Nächste Woche geht’s mit dem Rad zur Arbeit, denn die Temperaturen sollen wieder steigen und bei Kälte mag ich nicht.
    Viel Spaß weiterhin mit Euren Weil der Städter Veloträumern????

  2. Salut les amis ! Mais que vos périples sous les hautes latitudes nous font du bien. Grâce à vous, nous voyageons aussi ! Vos anecdotes et superbes périples à la force des mollets nous font rêver. Dingue de voir la neige en pareille saison. Continuez à nous émerveiller… en France en ce moment en avons bien besoin !! Gros bisous à tous les deux. De Bigoudénie, Mathurin, Edwige, Thomas

  3. Hallo ihr zwei Radler,
    wunderschöne Bilder von Norwegen, schneebedeckte Berge, grüne Wiesen und dazu blauer Himmel. Die kleinen Holzhäuschen mit Gras und kleinen Büschen auf dem Dach passen gut in die Landschaft. Den Eisberg kann man sehen, er leuchtet ein bisschen blau- grün, ein tolles Spiegelbild.
    Weiterhin schöne Erlebnisse und gutes Wetter!
    Liebe Grüße
    Heidi und Henner

  4. Mannomann, ihr seid echt harte Hunde! Ich hoffe, das Wetter bleibt euch hold und Land und Leute zeigen sich weiter von ihrer besten Seite! Liebe Grüße von Doro

  5. Hallo ihr zwei,

    Ich freue mich sehr, dass Norwegen euch gewonnen hat. So kann ich mit euch dort weiterreisen und diese Herrlichkeit der Landschaft genießen (ohne die Widrigkeiten ertragen zu müssen…).

    Ich wünsche euch auf jeden Fall eine schöne Wärme und wie gut, dass die Schlafsäcke gut warm halten.

    Liebe Grüße von Petra

    P. S. Ist es nachts nicht zu hell zum Einschlafen?

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